Freitag, September 03, 2004
Künstler kämpfen für Erklärungstafeln an «Judensau»-Reliefs
In Regensburg kamen sie nur bis zum «J», dann schritt die Polizei ein. Das Wort «Judensau» wollten zwei Münchner Aktionskünstler eigentlich auf das Pflaster vor dem Dom pinseln, um so auf eine antisemitische Skulptur an der Kathedrale aufmerksam zu machen.
Seit dem Mittelalter ist dort ein steinernes Schwein zu sehen, an dessen Zitzen Juden saugen. Ähnliche diskriminierende «Judensau»-Darstellungen gibt es an mehr als 20 weiteren Kirchen und öffentlichen Gebäuden in Deutschland.
Eine «antisemitische Schweinerei» ist das, findet Wolfram Kastner. Er und sein Kollege Günter Wangerin vom Münchner «Institut für Kunst und Forschung» kämpfen seit drei Jahren dafür, dass an den jeweiligen Gebäuden Tafeln mit Erklärungen und Worten des Bedauerns angebracht werden. Doch bis jetzt sei dies nur an drei Orten geschehen. «Ich verstehe nicht, warum sich die Verantwortlichen der Kirchen auch nach Jahrhunderten nicht davon distanzieren», sagt Kastner.
Das verhöhnende Motiv mit dem intimen Miteinander von Mensch und Tier verletze religiöse Gefühle in besonderer Weise. Denn das Schwein ist für Juden nicht koscher. «Bei Judenverfolgungen zwang man Juden immer wieder dazu Schweinefleisch zu essen», erklärt der Theologe Oliver Gußmann, der sich intensiv mit dem Thema beschäftigt hat. Das rassistische Motiv zieht sich bereits durch Jahrhunderte. Auch Martin Luther schürte in seinen Predigten mit der «Judensau»-Metaphorik den Hass gegen die Andersgläubigen. So ist auch eine der bekanntesten «Judensau»-Darstellungen an der Stadtkirche von Wittenberg zu sehen.
«Das wirkt alles weiter bis heute», sagt Kastner. «Zwar weiß kaum jemand etwas zur Herkunft, aber das Wort kennt jeder.» Heute benutzen Neonazis den «Judensau»-Ausdruck.
siehe auch: Künstler kämpfen für Erklärungstafeln an «Judensau»-Reliefs
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