Mittwoch, September 15, 2004

Jungle World 39/2004 - Deutsche Quote erfüllt

Die NPD macht in Sachsen Wahlkampf mit einer Rechtsrock-CD, die vor Schulen verteilt werden soll. Vorbild ist die »Aktion Schulhof« der Freien Kameradschaften Ein kleiner Junge fragt mit piepsender Stimme: »Vati, was ist Deutschland?« Erhaben und voller Pathos antwortet der »Vater«, der wegen Volksverhetzung verurteilte »Liedermacher« Frank Rennicke: »Deutschland, mein Sohn, das ist deine Heimat. Deutschland, das ist deiner Väter Land.« So beginnt die Wahlkampf-CD, die die NPD seit Anfang September in Sachsen verteilen will. Mit dem großspurig als »Sächsische Schulhof-CD« angepriesenen Tonträger versucht die Partei, die Aufregung um die »Aktion Schulhof« für sich zu nutzen. Hinter der »Aktion Schulhof« verbirgt sich eine Zusammenarbeit verschiedener langjähriger Neonazikader und Freier Kameradschaften, die in einer Auflage von 250000 Stück eine CD mit Neonazibands an Schulen und Jugendklubs verteilen wollten. (Jungle World, 32 und 35/04) Nachdem das Amtsgericht Halle jedoch im August die Beschlagnahme der CD beschlossen hatte, wurde das Projekt vorerst gestoppt. Auf diversen Internetseiten erklärte die »Schulhof-Projektleitung«, dass die staatlichen Repressionsmaßnahmen es »im Moment unmöglich« machten, die CDs zu verteilen, »da sich sonst die Initiatoren sowie jeder einzelne Verteiler strafbar machen würden«. Die Initiatoren teilten mit, dass »derzeit anwaltlich gegen den Beschlagnahmebeschluss vorgegangen« werde. Während es also auch in der nächsten Zeit nicht zu erwarten ist, dass die »Schulhof-CD« von Neonazis verteilt werden kann und wird, versucht die NPD in Sachsen, für ihren Wahlkampf das öffentliche Interesse für dieses Projekt auszunutzen. Am 2. September teilte der stellvertretende Bundesvorsitzende und Spitzenkandidat der Partei für die sächsische Landtagswahl, Holger Apfel, mit: »Aus der Erkenntnis, dass volkstreue Musik ein entscheidendes Element zur Wahrung nationaler Identität ist und im Medienzeitalter für die Vermittlung politischer Botschaften immer wichtiger wird, wurden 25 000 Tonträger mit Liedern bekannter nationaler Interpreten und Rockgruppen produziert, die in den letzten 14 Tagen bis zur Wahl kostenlos an junge Menschen verteilt werden sollen.« Bereits der Gründer des in Deutschland seit dem Jahr 2001 verbotenen Skinhead-Netzwerkes Blood & Honour, Ian Stuart, meinte: »Musik ist das ideale Mittel, Jugendlichen den Nationalsozialismus näher zu bringen, besser als dies in politischen Veranstaltungen gemacht werden kann, kann damit Ideologie transportiert werden.« Die CD sollte zugleich die »Jungwähleroffensive« der NPD einläuten, erläuterte Holger Apfel. Dementsprechend verteilten Aktivisten der Partei die CD während des so genannten Tags der Sachsen in Döbeln. Die Aufmachung der CD entspricht den üblichen Auftritten der NPD in Wahlkampfzeitungen und Flugblättern. Unter der Überschrift »Schnauze voll – Wahltag ist Zahltag« werden die altbekannten Parolen neu verwendet. Im Booklet der CD finden sich neben einem Comic die Aufforderung, den Laden im der NPD nahe stehenden Verlag Deutsche Stimme in Riesa zu besuchen, und ein »Infogutschein« für weiteres Material der Partei. Auf der CD sind neben Frank Rennicke auch die »Liedermacherin« Annett Möck, der wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung verurteilte Sänger »Lunikoff« der Berliner Band »Landser« und die Band »Sturmwehr« mit dem Lied »Nationale Opposition« vertreten . Dieses Lied nahm die Staatsanwaltschaft Dresden zum Anlass, in der vorigen Woche eine Beschlagnahme zu beschließen und 772 CDs bei einer Durchsuchung des Verlags Deutsche Stimme einzuziehen. Es werde wegen des Verdachts der Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen ermittelt. Im Lied findet sich die Textzeile »Deutschland soll leben, handelt sogleich, ein Volk, ein Wille, Heil dem Reich.« Die Staatsanwaltschaft Dresden erklärte dazu, dass diese Zeile der NS-Parole »Ein Volk, ein Reich, ein Führer« ähnele und daher nach Paragraf 86a des Strafgesetzbuches als Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation strafbar sei.

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