Sonntag, Februar 19, 2006

Hitlers williger Phraseologe

Ernst Piper untersucht die Karriere von Alfred Rosenberg Er war Chefredakteur des "Völkischen Beobachters" und schrieb mehr als alle anderen NS-Führer zusammen. Sein "Mythus des 20. Jahrhunderts" war neben "Mein Kampf" das theoretische Hauptwerk des Nationalsozialismus, in mehr als einer Million Exemplaren verbreitet. Er wurde als "Papst der NSDAP" und "Großinquisitor der Herrenrasse" bezeichnet. Zwischen lauter Pragmatikern der Macht war er ein Dogmatiker, der glaubte, was er verkündete. (...) Auf der Anklagebank in Nürnberg hat sich Rosenberg als Harmlosigkeit in Person inszeniert und seinen Einfluß heruntergespielt. Die Historiker seien ihm darin zu bereitwillig gefolgt, wendet Ernst Piper nun in seiner monumentalen Rosenberg-Studie ein. Und er wird deutlich: Unter der "Meinungsführerschaft von Joachim Fest hat man ... versucht, Rosenberg zum weltfremden Trottel abzustempeln." Tatsächlich hat Fest den Nachgeborenen ein leichtfertiges Überlegenheitsgefühl vermittelt, indem er vor allem in seinem ungemein konzisen Standardwerk "Das Gesicht des Dritten Reiches" alle führenden Nationalsozialisten - immer mit der Ausnahme Speers - als degoutante Kreaturen, pathologische Gestalten oder ressentimentgeladene Kleinbürger beschrieb. Rosenberg galt ihm als intellektueller Scharlatan und schwächlicher Charakter. Dabei berief er sich auch auf Hitlers gelegentlich geäußerte Vorbehalte gegenüber dem ideengeschichtlichen Ragout des "Mythus", die Piper jedoch durch das Machtkalkül gegenüber den Kirchen bedingt sieht - Unterschiede in der Taktik, nicht in der Sache.

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