Mittwoch, Februar 15, 2006
TP: Späte Enthüllungen
An der Aufklärung über Arisierungen ist man in Deutschland noch immer nicht sonderlich interessiert
Auf 10 Milliarden Reichsmark, so eine Schätzung der nationalsozialistischen Behörden kurz nach der Machtübernahme, sei das Vermögen der deutschen Juden zu beziffern. Wenn es gelänge, sich dieser Summe zu bemächtigen, befördere das die deutsche Sache ganz ungemein. Der Raubzug wurde 1936 beschlossen, organisiert aber wurde er nicht etwa von SA- und SS-Horden, sondern vom alten Beamtenapparat in den Finanz- und Devisenbehörden.
Bis heute hat die Geschichtswissenschaft die Schätzung von den 10 Milliarden nicht eindeutig bestätigen können – die Zahl liege eher zu niedrig, lauten die Vermutungen, denn nach 1935, mit den Nürnberger Rassegesetzen, habe das Regime die Definition dessen, was jüdisch sei, erheblich erweitert. Und den Raub des Vermögens der europäischen Juden hatten die Nazis 1933 ja überhaupt noch nicht im Blick.
Dass der Kenntnisstand von den Arisierungen 61 Jahre nach Kriegsende immer noch bruchstückhaft ist, verdankt die Nachwelt dem Umstand, dass dieser Raubzug nahezu mit beiläufiger Selbstverständlichkeit abgewickelt wurde und dass in einem bis heute kaum realisierten Umfang Hunderttausende 'Volksgenossen' davon profitierten. Das Interesse an der Aufdeckung dieses Verbrechens kollidiert mit dem Interesse am Verschweigen – zu viele Deutschen aus allen Schichten und Klassen waren seine Nutznießer.
Wie jüdisches Eigentums in "arische" Hände übertragen wurde, zeigt eine Ausstellung, die noch bis Mitte Februar in Köln Station macht. Wolfgang Dreßen von der Fachhochschule Düsseldorf hat in den 90er Jahren mit seinem Team die Akten der Oberfinanzdirektionen Düsseldorf und Köln ausgewertet und einige Dutzend von ihnen zu einer Ausstellung zusammengefügt; ihr Titel "Aktion 3 – Wie Deutsche ihre jüdischen Nachbarn verwerteten". Hinter Glasrahmen legen sie Zeugnis ab von der Schnörkellosigkeit und Beiläufigkeit der Enteignung.
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