Mittwoch, Juli 20, 2005

taz 20.7.05 Oberst Bersarin und ein Hinweis

Vor 60 Jahren, kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs, gründete sich die Jüdische Gemeinde zu Berlin neu, angeblich auf Anregung des sowjetischen Stadtkommandanten In diesem Sommer vor 60 Jahren hat sich in Berlin, wenige Wochen nach dem Untergang der Nazi-Diktatur, wieder eine Jüdische Gemeinde gebildet. "Nach der Befreiung gab es sehr früh Bemühungen, jüdisches Gemeindeleben neu aufzubauen", sagt Hermann Simon, Direktor der Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum. "Schon am 11. Mai 1945 hielt der Prediger Martin Riesenburger einen der ersten jüdischen Gottesdienste nach dem Krieg in der Trauerhalle des Friedhofs Weißensee ab." Es entstanden mehrere kleine jüdische Gruppierungen, die sich bereits im Sommer zur Jüdischen Gemeinde zusammenschlossen. "Über diese frühen Anfänge ist allerdings wenig bekannt", sagt Simon. Ein genauer Termin für die Neukonstituierung lasse sich nicht finden. "Ein Schreiben des Vorstands der Jüdischen Gemeinde vom 12. Dezember 1945 an die Sowjetische Kommandantur gibt aber immerhin einen Hinweis", erläutert Simon. In dem Dokument heißt es: "Nach dem Einzug der siegreichen Roten Armee in Berlin hatte Herr Generaloberst Bersarin mit dem … jüdischen Zahnarzt, Herrn Dr. Moritz Blum, im Reichstagsgebäude eine Besprechung, in deren Verlauf Herr Generaloberst Bersarin Herrn Dr. Blum die Anregung gab, die ,Jüdische Gemeinde zu Berlin', die bekanntlich durch das Hitler-Regime aufgelöst worden war, wieder aufzubauen." Blum reorganisierte dann mit anderen jüdischen Überlebenden die Gemeinde mit Sitz in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte. "Dass Bersarin den Anstoß zur Neugründung gegeben haben soll, ist anderweitig nicht belegt. So bin ich nicht sicher, ob die Geschichte stimmt oder aus gewissen taktischen Gründen so formuliert ist", sagt Simon. Nikolai Bersarin, erster sowjetischer Stadtkommandant von Berlin, starb am 16. Juni 1945 bei einem Verkehrsunfall.

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