Dienstag, Juli 19, 2005

taz 19.7.05 "Die rechte Gewalt nimmt zu, nicht die linke"

Neonazis der in Berlin verbotenen Kameradschaften Tor und Baso tummeln sich nun im benachbarten Potsdam, sagt Opferberater Tamás Blénessy. Dort unterschätze die Polizei nach wie vor die Gefahr, die von der rechten Szene ausgehe taz: Herr Blénessy: Die Auseinandersetzungen zwischen Neonazis und Linken in Potsdam und Berlin spitzen sich dramatisch zu. Woher kommt diese neue Qualität der Gewaltbereitschaft? Tamás Blénessy: Ich weiß nicht, ob man allgemein von einer neuen Qualität der Gewaltbereitschaft sprechen kann. Die rechte Gewalt hat zwar zugenommen, nicht aber die linke. Das zeigt auch die Polizeistatistik. Aber Anfang Juni gab es einen Übergriff auf einen Neonazi - von linken Jugendlichen, die seitdem unter Mordverdacht stehen? Das wird ihnen vorgeworfen, ist aber noch nicht bewiesen. Dass sich linke Jugendliche mit Rechten schlagen, wenn sie sich auf der Straße begegnen, ist nicht neu. Das wird nur von der Polizei als neue Qualität dargestellt. Die Polizei scheint auf beiden Seiten härter durchgreifen zu wollen. Sie spricht von Gewaltspirale. Dabei ist diese Begriffswahl schon falsch. Denn damit schaut sie nicht mehr nach den Ursachen der einzelnen Gewalttaten, sondern suggeriert: Da gibt es rechte Jugendgruppen, dort gibt es linke, und die bekriegen sich. Wie ist es dann? Wenn man Auseinandersetzungen zwischen rechten und linken Jugendlichen immer nur als Bandenkonflikte darstellt, geht einem der Blick für die Ursachen verloren. Der allgemeine Anstieg von rechtsextremem Gedankengut wird dabei ausgeblendet. In Potsdam sind rechte Jugendliche längst Mainstream.

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