Mittwoch, Juli 13, 2005
Jungle World ··· 28/2005 Euro ··· Zwei Männer hinter dem Mond
Die Zwillinge Jaroslaw und Lech Kaczynski könnten bei den Wahlen in Polen Premierminister und Staatspräsident werden. Mit homophoben und nationalistischen Parolen werben sie um die Gunst der Wähler.
Bei ihrer Geburt trennten sie nur 45 Minuten voneinander. 56 Jahre später liegen zwei Wochen zwischen den beiden Wahltagen, die sie zu den mächtigsten Männern in Polen machen könnten. Die eineiigen Zwillinge Jaroslaw und Lech Kaczynski haben gute Chancen, im Herbst zu Premierminister und Staatspräsident gewählt zu werden. (...) Die Anspielung auf die angebliche Homosexualität ist für die Kaczynskis besonders bitter und daher schon lange ein Fall für die Gerichte. Denn den Kampf gegen gleiche Rechte für Lesben und Schwule haben die Brüder zu ihrem Hauptwahlkampfthema auserkoren. Lech Kaczynski ist als Warschauer Oberbürgermeister und Präsidentschaftskandidat ein Albtraum für Schwule und Lesben. In diesem und auch schon im vergangenen Jahr verbot er ihnen jede politische Demonstration in Warschau. »Als Bürger dürfen sie protestieren, aber als Homosexuelle nicht«, erklärte er ohne Umschweife. Das Demonstrationsrecht werde »durch Sittlichkeit und Sicherheit« beschränkt.
Dabei glaubte sogar Lech Kaczynski, dass die Parade im ersten Jahr noch »ohne Obszönitäten« ablaufen würde, »aber nächstes Jahr wäre es schon wie in den USA oder manchen europäischen Ländern«. Trotz seiner kompromisslosen Politik gibt er sich tolerant: »Natürlich würde ich zwei Männern, die sich auf der Straße küssen, nicht entgegentreten.«
Die »Parade der Gleichheit« konnte Lech trotz seines Verbots jedoch nicht verhindern. Angeführt von der Vizepremierministerin Izabela Jaruga-Nowacka zogen Mitte Juni 3 000 Demonstranten durch das Stadtzentrum. Rechtsextreme warfen Eier und beschimpften die Kundgebungsteilnehmer als »Mörder, Pädophile und Abartige«. Kaczynski warf der Polizei hinterher vor, eine illegale Veranstaltung beschützt und gleichzeitig die Teilnehmer rechter Gegenkundgebungen hart attackiert zu haben. Er protestiere gegen die »Bevorzugung« der Homosexuellen. Freilich maß vor allem Lech mit zweierlei Maß. Eine Woche nach der Gay-Demonstration ließ er eine gegen Homosexualität gerichtete »Parade der Normalität« der rechtsextremen »Allpolnischen Jugend« zu. An ihr nahmen 800 Menschen teil.
Den Konflikt um die Schwulenparade nutzt der Präsidentschaftskandidat auch in einem Wahlwerbespot, der derzeit im Fernsehen läuft. Darin nähern sich zwei Männer einander mit den Lippen. Dann verschwimmt das Bild. Begleitet wird die Szene von dem Kommentar: »Statt provozierender Homosexuellenparaden wollen wir Staatshilfen für polnische Familien.«
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen