Freitag, Juli 01, 2005
taz 1.7.05 "Hitler hats richtig gemacht"
Studierende der Alice-Salomon-Fachhochschule haben anhand von Interviews in Freizeitclubs den Antisemitismus unter Jugendlichen in Friedrichshain-Kreuzberg erforscht. Heute sind sie zu hören
Man ahnte Schlimmes, als man begann - und am Ende war es noch schlimmer. Studentinnen und Studenten der Alice-Salomon-Fachhochschule wagten sich im vergangenen Winter- und im folgenden Sommersemester im Rahmen einer Lehr-Werkstatt an ein heißes Thema: den Antisemitismus unter jungen Menschen in Friedrichshain-Kreuzberg. Nun sind die Ergebnisse da.
Ausgestattet mit Videokamera, Mikrofon und Fotoapparat befragten die Studierenden Jugendliche und junge Erwachsene in Freizeitclubs des Bezirks zu ihren Einstellungen gegenüber Juden und Israelis. "Als wir mit der Arbeit an der Werkstatt begannen, befürchteten wir die Existenz von antisemitischen Ressentiments bei Jugendlichen aus islamischen Herkunftsländern", schreiben die Dozenten Levi Salomon und Katrin Becker in einem Band, der die Interviews zusammenfasst, "Nach der Durchführung der Interviews waren wir erschrocken darüber, wie stark diese Ressentiments bei der Mehrheit der Befragten ausgeprägt sind." Der Judenhass sei selbst dort stark gewesen, wo eine "ausgezeichnete präventive Arbeit bezüglich der Bekämpfung des Antisemitismus geleistet" werde. "Für die Mehrheit der von den Studierenden befragten Jugendlichen stellt ,Jude' ein Schimpfwort dar."
Man kann die Ergebnisse der Befragung, die heute auf einer Veranstaltung der Fachhochschule öffentlich gemacht werden, relativieren. Es ist einzuwenden, dass die befragten jungen Menschen manchmal nur dumme Sprüche machen: "1, 2, 3, Scharon ist ein dickes Schwein!", ruft da jemand, und fünf andere Jungen im Alter von 9 bis 14 Jahren "mit migrantischem Hintergrund" lachen los. Man muss zudem berücksichtigen, dass einige der Interviewten zumindest indirekt über ihre Familiengeschichte selbst vom Nahostkonflikt betroffen sind, was ihre Abneigung zumindest gegen Israelis leichter nachvollziehen lässt. "Mein Cousin ist gestorben, meine Tante ist gestorben, mein Onkel ist gestorben, meine Oma und mein Opa sind gestorben", erzählt etwa ein Jugendlicher. Sie seien durch Israelis getötet worden: "entführt, erschossen". Und natürlich findet man viel Unwissen und einiges an Dummheit: "Hitler war ein armer Bettler, der von Juden geschlagen und geärgert wurde", erzählt etwa ein Junge, "und als ihn ein Deutscher berühmt gemacht hat, hat er sich an den Juden gerächt."
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