Donnerstag, Dezember 15, 2005

Jungle World ··· 50/2005 Disko ··· Früher war es antideutscher

Die Antideutschen stellen die richtigen Fragen, liefern aber die falschen Antworten Antideutsche? Durchgeknallt! Antiimperialisten? Ewiggestrig! So oder ähnlich dürfte das Urteil vieler Linker in Deutschland ausfallen, die mit beiden Extrempositionen nichts oder nichts mehr zu tun haben wollen. Weder mit den Inter-Nationalisten, die jede noch so reaktionäre Volksbewegung gutheißen, solange sich diese gegen »Globalisierung« und »Krieg« richtet, noch mit jenen zur (Kriegs-)Partei gewordenen Antideutschen, gegen die Bush und Sharon inzwischen wie Friedenstauben anmuten. Und sind sich die Kontrahenten nicht viel ähnlicher, als sie es selbst wahrhaben möchten? Beide sind solidarisch mit nationaler Befreiung – die einen mit Palästina oder Venezuela, die anderen mit der nationalen Befreiungsbewegung des Zionismus. Wenn Antideutsche »Waffen für Israel« und Antiimps »Zehn Euro für den irakischen Widerstand« fordern, lehnen sich beide an die frühere internationalistische Kampagne »Waffen für El Salvador« an und deklarieren ihre Aktion als antifaschistisch. Doch für eine radikale Linke in Deutschland wäre es zu leicht, sich bloß angewidert zurückzulehnen. Gerade aus einer Sicht auf die Welt, die über deutsche Verhältnisse hinausgeht, ist antideutsche Kritik ein kategorischer Imperativ. Dem Land der Täter, das eliminatorischen Antisemitismus und Rassismus hervorgebracht hat und das bis heute Innen- wie Außenpolitik auf der Grundlage einer völkischen Gemeinschaftsideologie gestaltet, darf gar nichts anderes als tiefes Misstrauen entgegenschlagen. Gleiches gilt für all jene rechten wie linken Deutschen, die ausgerechnet an Israel ihr antifaschistisches und anti­imperialis­tisches Mütchen meinen küh­len zu müssen – an jenem Staat also, der durch Auschwitz zur unbedingten Notwendigkeit geworden ist und der seit seiner Gründung permanent davon bedroht ist, von der »Landkarte getilgt« zu werden, wie es zuletzt der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad formulierte.

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