Freitag, Dezember 23, 2005
taz 23.12.05 Rechtsextremen kommen vor Gericht die Tränen
Filmreife Szenen beim Prozess gegen Neonazi-Kameradschaft im Westerwald: Lügende Zeugen werden verhaftet und harte Schläger weinen
Im Gerichtssaal klicken die Handschellen. Oberstaatsanwalt Walter Schmengler lässt einen Zeugen festnehmen, dem er 'Falschaussage und versuchte Strafvereitelung' vorwirft. Grund: Der Skinhead habe mindestens zwei Kumpane decken wollen, die an einer rassistisch motivierten Attacke auf einen Farbigen und andere Personen beteiligt waren. Der Prozess gegen die rechtsextreme 'Kameradschaft Westerwald' gestaltet sich durchaus lebhaft. Herzzerreißende Szenen spielen sich im Landgericht Koblenz ab. Die Tränen fließen zuhauf. Zum Beispiel bei Lars H. (23). Die Mutter und die Verlobte drücken das mutmaßliche Mitglied der Kameradschaft während einer Verhandlungspause an sich. Wegen der Handschellen kann der gelernte Zimmermann nicht zurück umarmen. 'Holt mich doch raus aus dem Gefängnis!', ruft Lars H. immer wieder unter Schluchzen. Er gehe in der Untersuchungshaft 'kaputt'.
Lars H. kann auch weniger gefühlig sein. Im Sommer 2004 griffen er und weitere Mitglieder seiner Kameradschaft die Besucher eines Punkkonzerts in Daaden an. Sie schwangen Baseballschläger und eine nagelbewehrte Holzlatte. Die Besucher hatten damals Todesangst, heißt es in der Anklageschrift. Aber jetzt, im Gericht, weinen Lars H. und die Frauen um die Wette.
Auch der gleichfalls in Untersuchungshaft einsitzende Nikolai H. (23) wird von seiner Familie geherzt. Im vergangenen Jahr soll er an einer Tankstelle einen jungen Mann aus der linken Szene zusammengeschlagen und mit Springerstiefeln ins Gesicht getreten haben. Vater H., den die Kammer wegen Beteiligung an Gewalttaten und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Haftstrafe verurteilte, wirft der Staatsanwaltschaft Wildwestmethoden vor. Die Polizei behandle seine Söhne wie Schwerverbrecher, beklagt er sich. Auf Entlastungszeugen sei Druck ausgeübt worden.
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