Montag, Dezember 19, 2005

PROFIL Online: NS-Verbrechen: Das Phantom - Warum wurde Alois Brunner nie gefasst?

Einer der niederträchtigsten NS-Schergen, der Österreicher Alois Brunner, wurde nie vor Gericht gestellt. Vor Kurzem glaubte man, ihn in der Schweiz gesehen zu haben. Wieder eine Falschmeldung. So er noch lebt, wird Alois Brunner im kommenden Frühling 94 Jahre alt, ein Greis mit einem Glasauge und verkrüppelten Händen, heimgesucht von Erinnerungen, die ihn jedoch nicht sonderlich beschweren dürften, denn bereut hat Brunner nie. Davon zeugen Briefe, die er vor wenigen Jahren noch aus Damaskus an Verwandte in Österreich schrieb. (...) Alois Brunner war ein Spezialist für Deportationen, von seinem Vorgesetzten Adolf Eichmann, dem Leiter des „Judenreferats im Reichssicherheitshauptamt“, überall dorthin geschickt, wo die Zusammentreibung der Juden und ihr Abtransport in die Lager nicht so recht vorankommen wollten. Brunner hatte sich einen Namen gemacht. Von ihm stammte die Idee, die Menschen in den Zügen noch schnell eine Postkarte unterschreiben zu lassen, wonach es ihnen gut gehe und die Verpflegung bestens sei. Auf diese Weise ließen sich die Zurückgebliebenen, die diese Nachricht Wochen später mit dem Absender Auschwitz-Birkenau ausgehändigt bekamen, beim nächsten Transport ohne größeren Aufruhr in die Waggons pferchen. Seit über dreißig Jahren weiß man, dass Brunner – jedenfalls bis in die neunziger Jahre hinein – in Damaskus lebte. Man kannte seine Adresse, seine Firmen und seine Helfer. Man wusste, wie der alte Mann aussah. Brunner empfing Journalisten, gab Interviews und ließ sich fotografieren. Warum wurde er nie zur Verantwortung gezogen?

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