Donnerstag, Dezember 15, 2005

Station der Angst

Gideon hörte nur „Neger raus“. Dann schlugen sie zu. Eine Busfahrt von der Elbestraße zum Ruhlsdorfer Platz Es war ein langer Tag für Gideon O., als er am 26. April 2003 seine Schicht beendete und von Stahnsdorf nach Hause wollte. Im Bus saßen bereits zwei Frauen und zwei Männer, deren äußerst kurzen Haare Gideon sofort aufgefallen sind. Als er in der Teltower Elbestraße aussteigt und auf den 117er nach Berlin wartet, atmet er zunächst auf, als die vier verschwinden. Doch er bleibt beunruhigt. Ihre Blicke. Wie sie ihn angeschaut haben. Die kahlen Köpfe. All das kannte er von Marzahn, wo ihn schon einmal Skinheads zusammenschlugen. Als Gideon in den 117er steigt, sucht er sich einen Platz, wo er einen guten Überblick hat. Rein instinktiv. Der Bus ist keine 500 Meter gefahren, als er plötzlich scharf bremst. Ein Pärchen hat ihn mitten auf der Straße gestoppt. Der Busfahrer macht seine letzte Tour, er will nach Hause und den beiden Nachtschwärmern einen Gefallen tun, denn in den nächsten Stunden wird kein Bus mehr vorbeikommen. Er öffnet die Tür. Doch mit der Geste des Fahrers beginnt für Gideon die Hölle. 15 junge Leute kommen nach und nach aus einem Haus in der Potsdamer Straße gerannt und klettern in den Bus. Gideon erkennt eine der Frauen aus dem anderen Bus. Er sieht die kurzen Haare der Männer, ihm fällt die einheitliche Kleidung auf, er spürt in sich die Angst hochkriechen und überlegt im ersten Moment, aus dem Fenster zu springen. Aber es sind zu viele. Er denkt, nicht alle können ihm etwas Böses tun, einige werden helfen. Dann kommen die ersten Sprüche. „Schwarzer Mann, es stinkt.“ „Neger raus, raus, raus!“ Gideon ruft, er sei Amerikaner, da landet die erste Faust in seinem Gesicht. Blut strömt aus seiner Nase. Weitere Schläge folgen. Er versucht nach vorn zum Fahrer zu gelangen, doch er wird hin- und hergestoßen. Jemand tritt ihn in den Rücken. Um ihn herum grölt es: „Neger raus, raus, raus!“ Vor seinen Augen hat Gideon einen blutigen Schleier, in seinen Ohren dröhnt es. „Presskohle! Nigger!“ Keiner hilft.

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