Mittwoch, Februar 01, 2006
Jungle World ··· 5/2006 Antifa ··· Unschuld vom Lande
Ein Runder Tisch in Pömmelte sucht nach dem Angriff auf einen zwölfjährigen Jungen nach Wegen, sich mit den Neonazis auseinanderzusetzen. Diese präsentieren sich als verfolgte Unschuldige.
Die Empörung war groß, als bekannt wurde, was sich in dem 700-Seelen-Örtchen Pömmelte in Sachsen-Anhalt abgespielt hatte. Der Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) sagte, die Tat vom 9. Januar sei Ausdruck einer »erschreckend geistigen Verrohung«. Die fünf rechten Schläger hatten ihr Opfer, das in einem Kinderheim in dem Dorf lebt, eine Stunde lang gequält und gedemütigt. Kevin, dessen Vater aus Äthiopien stammt, erlitt schwere Verletzungen am Kopf, er musste die Stiefel seiner Peiniger lecken und Naziparolen aufsagen.
Empört war man auch in Pömmelte. Allerdings nicht allein über die Tat, sondern ebenfalls über die darauf folgende Berichterstattung. Über dem Dorf werde »kübeleimerweise brauner Dreck« ausgegossen, beschwerte sich ein Teilnehmer des Runden Tischs, der am Dienstag der vorigen Woche in Pömmelte stattfand. Zu dem Gespräch hatten der Bürgermeister Thomas Warnecke, die Leiterin des Kinderheims, Annett Lazay, und der für die Gemeinde zuständige Pfarrer Christian Weiger aufgerufen. Es nahmen unter anderem Vertreter der Polizei, des Jugendamts und die Vorsteher verschiedener Ortsvereine teil. Zudem hatte man drei Jugendliche aus dem Ort eingeladen und Mitarbeiter des Miteinander e.V. aus Magdeburg. Der Verein beobachtet seit Jahren die Aktivitäten der Neonazi-Szene in Sachsen-Anhalt. Die Jugendlichen berichteten, dass Kevin bereits einige Monate vor dem Angriff von Rechten beschimpft und bedroht worden sei. Die Erwachsenen, die Zeugen der Szene gewesen seien, hätten nicht eingegriffen. Pünktlich zu Beginn der Veranstaltung erschienen Mitglieder der »Kameradschaft Festungsstadt« aus Magdeburg. Sie wollten als »Jugendinitiative gegen Jugendkriminalität« an der Diskussion teilnehmen. Ihnen wurde bedeutet, den Raum zu verlassen. Im Anschluss an die Veranstaltung entrollten sie ein Transparent mit der Aufschrift »Ihr schiebt uns Pömmelte nicht in die Schuhe« und verteilten Flugblätter, auf denen sie sich als Opfer einer Medienkampagne darstellten und sich von den Tätern distanzierten.
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