Donnerstag, Dezember 01, 2005

welt.de: Berufswunsch Standartenführer

ARD-Dokumentation über Neonazis im Ruhrgebiet Axel Reitz ist 22, schmal, blaß und arbeitslos. Er trägt einen Konfirmandenscheitel. Rein äußerlich ist der Mann ein Jüngelchen. Wenn er mal richtig was hermachen will, dann hüllt er sich in seinen langen schwarzen Ledermantel. Am Telefon meldet er sich schon mal mit "Himmler". Als Berufswunsch nennt er "SA-Standartenführer". Im richtigen Leben hat er es bisher zum "Gausekretär Rheinland" des rechtsextremen "Kampfbundes deutscher Sozialisten" gebracht. Er wurde bereits als "Hitler von Köln" bezeichnet und ist stolz darauf. An den Wänden seiner Wohnung hängen Bilder von Nazi-Größen. Besonders verehrt er den SA-Führer Ernst Röhm, für dessen Ermordung er allerdings Verständnis hat: Wenn jemand zum "Störfaktor" würde, dann müsse er eben notfalls "beseitigt werden". Reitz steht im Mittelpunkt der Dokumentation "Nebenan der braune Sumpf". WDR-Autor Peter Schran hat dafür ein halbes Jahr lang die Neonazi-Szene in Nordrhein-Westfalen beobachtet und in Reitz einen dankbaren Protagonisten gefunden. Reitz läßt die Fernsehleute in seiner Wohnung filmen. Er geriert sich vor der Kamera als Vordenker und Märtyrer "für die Bewegung". Er führt den Journalisten zu ein paar halbstarken Jüngern, die sich unter seiner Anleitung - mit vermummten Gesichtern - zu Saddam Hussein bekennen und tönen: "In einer Diktatur lebt sich's besser als in einer Demokratie." Der Film wirkt bisweilen wie eine Personality-Show aus dem politischen Gruselkabinett, aber er ist mehr als das.

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