Donnerstag, Dezember 15, 2005
taz 15.12.05 Die Juden als Weltfeinde
Was ist neu am Neuen Antisemitismus, etwa des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad? Unter Forschern ist eine Debatte darüber entbrannt, wie tief der Judenhass im Koran selbst gründet
Synagogen und jüdische Schulen in Flammen, verbale und physische Attacken auf Juden - vor gut dreieinhalb Jahren rieben sich nicht nur Juden in ganz Europa teils verwundert, teils verängstigt die Augen. Eine antisemitische Welle schwappte über fast alle westeuropäischen Staaten. Auf ihrem Höhepunkt 2002 registrierte etwa die Polizei in Frankreich zwanzigmal mehr judenfeindliche Taten als drei Jahre zuvor. Israels Premier Ariel Scharon warf den Europäern "kollektiven Antisemitismus" vor. Das Schlagwort vom "Neuen Antisemitismus" kam auf. Ratlosigkeit herrschte, wie dem Phänomen zu begegnen sei. Nicht einmal die Definition des Antisemitismus war Konsens, auch nicht in der Wissenschaft. Daran krankte noch im April vergangenen Jahres die Berliner Antisemitismus-Konferenz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). (...) Der Politologe Götz Nordbruch warnte jedenfalls davor, allzu schnell eine klare Linie zwischen Antisemitismus und Islamismus zu ziehen, auch wenn die faschistische Idee aus Italien und Deutschland in den Dreißigerjahren im arabisch-muslimischen Raum populär war. Es gab keine zwangsläufige Kooperation zwischen dem Nationalsozialismus und dem ursprünglich säkularen arabischen Nationalismus, der immer wieder eine ideologische und personelle Nähe zum Islamismus aufwies. Wie einflussreich aber war etwa der Antisemitismus des früheren Großmufti von Jerusalem, Amin al-Husseini? Der Geistliche, ein Pate der palästinensischen Nationalbewegung, lebte von Hitlers Geld, führte eine bosnische SS-Einheit und fand im Nazi-Berlin Exil. Unklar aber ist sein Einfluss auf den heutigen Judenhass unter Islamisten.
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