Freitag, Dezember 09, 2005

taz 8.12.05 "Ein Neonazi bin ich auf keinen Fall"

Erik, 15, aus Chemnitz liest die "Deutsche Stimme", hört sich NPD-Hits im Netz an und spielt "KZ-Rattenjagd" - von Glatze und Lonsdale-Klamotten aber keine Spur. Erik sieht sich nicht als Nazi, sondern als rechtskonservativ "Finden Sie es etwa unpolitisch, wenn eine Sozialkundelehrerin vor der Bundestagswahl Werbe-CDs der SPD verteilt, es aber anderen Parteien verboten wird, Tonträger auf dem Schulhof zu verteilen? Finden Sie es etwa unpolitisch, wenn ein Mitschüler, der mit Glatze und Bomberjacke vor der Klasse steht, für die gleiche Leistung automatisch eine schlechtere Note erhält, als ein anderer?" Mit Vehemenz schleudert Erik seine Fragen in den Raum. Der Direktor seiner Schule hat Kommunalpolitiker, Sozialarbeiter sowie Eltern und Schüler zur Diskussion geladen. Thema der Veranstaltung: "Die Stellung der Schüler bei der politischen Meinungsbildung". Auch ein städtischer Vertreter der NPD sitzt im Raum, obgleich ihn niemand eingeladen hatte. Seinem gewohnt provozierenden Redebeitrag schließen sich diesmal allerdings einige Schüler an und applaudieren. Unter ihnen ist auch Erik, ein eher zurückhaltender und vernünftig wirkender Junge, der bisher niemandem aufgefallen ist. Bisher. Doch jetzt schlägt der 15-Jährige sich auf die Seite des stadtbekannten NPD-Politikers. Zieht die Blicke auf sich. Sein Einwurf: Er verstehe nicht, warum der Direktor die in seinen Fragen geschilderte Situation als überzogen bezeichnet und die von ihm gemeinte Schulhof-CD der NPD als verfassungsfeindlich und jugendgefährdend deklariert. "Ich hab die CD leider nie gehört - sie wurde viel zu früh verboten", beschwert sich Erik. Einige Titel hat er sich aber im Internet angehört. "Vor allem die Texte haben mir echt gut gefallen." Außerdem kennt er die CD "Schnauze voll? Wahltag ist Zahltag!", mit der die NPD zur sächsischen Landtagswahl 2004 geworben hat.

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